ENGLISCH IN JAPAN

Gehören Sie auch zu den Menschen, die bisher geglaubt haben, dass man überall auf der Welt wenn schon nicht mit seiner Muttersprache, so doch zumindest mit Englisch weiterkommt? Dann lassen Sie sich eines besseren belehren: Sie werden sich wundern, wieviel Sie in Japan mit Englisch tatsächlich erreichen können...

Als ich das erste Mal nach Japan kam, verließ ich mich auf die Aussage, dass ohnehin fast überall die japanischen Schriftzeichen durch eine englische Übersetzung bzw. die entsprechende Latein-Umschrift oder zumindest Hiragana hinlänglich erklärt werden. Aber auch dies ist nur in den größeren Städten ausreichend gegeben. Schon bei vielen Buslinien auch größerer Städte gibt es nur noch japanische Ansagen und Schriftzeichen.

Da in den größeren Bahnhöfen alle Schilder zweisprachig sind (japanisch und Englisch), meinte ich mich durchaus mit Englisch verständlich machen zu können. Als ich dann allerdings in Okayama (Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur) einen Sitzplatz im Shinkansen reservieren wollte, wurde ich enttäuscht. Ich fragte am ersten Schalter, ob der Beamte Englisch verstünde, worauf mich dieser an einen anderen Kollegen verwies. Dieser wiederum erwiderte, dass er nur sehr wenig Englisch verstehe. Letztlich musste ich die Sitzplatzreservierung unter Zuhilfenahme des Fahrplanes und weiteren Erklärungen mit Händen und Füßen vornehmen. Seitdem verlasse ich mich überhaupt nicht mehr auf Englisch.

Auch in Kanazawa (Hauptstadt der Präfektur Ishikawa) konnte ich sehen, wie eine Gruppe englischsprachiger Touristen, sich in englisch hilfesuchend an einige Bahnbedienstete wendeten, allerdings keine Hilfe erfuhren, da diese des englischen nicht ausreichend mächtig waren. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ein wenig habe ich mich über diese Begebenheit auch gefreut, denn gerade die englischsprachigen Länder (insbesondere die USA) meinen, keine andere Sprache zu brauchen, da ohnehin jeder Englisch in der Schule lernt und damit versteht. Es ist gut, dass Touristen auch einmal andere Erfahrungen sammeln und hoffentlich mit nach hause nehmen, um dort in Bezug auf das Erlernen von Fremdsprachen ein wenig zu verändern.

Allerdings bieten Freiwillige auf den Bahnhöfen auch ihre Dienste als Übersetzer an, um Touristen zu helfen, da Englisch obwohl Pflichtfach in Japan meist doch für viele Japaner ebenso wie andere Fremdsprachen ein Rätsel bleiben wird.

So wie ich selbst, werden sich sicherlich auch viele andere verwundert fragen, wie es sein kann, dass man eine Fremdsprache zwar über viele Jahre in der Schule lernt, aber nicht sprechen oder verstehen kann.

Es gibt hierfür wohl zwei Gründe. Zum einen ist Japan ein Land, in dem man Englisch eigentlich auch nicht braucht. Allein reisen die meisten Japaner ohnehin nicht ins Ausland. Also gibt es einen Reiseführer, der alles für sie erledigt. Und im eigenen Land sind die Japaner unter sich. Auch wir erwarten ja in Deutschland von den meisten Ausländern, dass sie ausreichend deutsch sprechen können, um sich verständlich machen zu können.

Der zweite wohl weit wichtigere Grund für das Unvermögen der Japaner Englisch zu sprechen ist wohl in der japanischen Schule zu suchen.

Japaner machen aus Sprachen einen Wissenschaft. Ich persönlich bin der Meinung, dass Sprachen keine Wissenschaft sind, sondern eine Fähigkeit, die jederman erwerben kann. Hierzu ist aber in erster Linie wichtig, dass man kommuniziert. Eine Schriftsprache ist eine tote Sprache so wie Latein. Eine lebendige Sprache muss aber auch gesprochen werden. Hier genau liegt aber das Problem. Das Dumme daran ist nur, dass sich alle - Lehrer, Eltern, Schüler, ja sogar die Regierung - des Problems bewusst sind, es allerdings nicht zu ändern bereit sind.

In der japanischen Schule besteht der Englisch-Unterricht genau genommen aus zwei Fächern: „englisch Lesen“ und „englische Grammatik“. An den japanischen Schulen sind häufig sogenannte „Native Speaker“, also englischsprachige Assistenz-Lehrer eingesetzt, die den Unterricht interessanter und lebendiger gestalten und den Japanern die englische Sprache nahe bringen sollen.

Nur genau dies funktioniert eben leider nicht wie gewünscht. Denn Englisch-Unterricht heißt im Gegensatz zum bekannten Englisch-Unterricht in Deutschland eben nicht Englisch, sondern Japanisch mit ein bisschen englisch. Gesprochen wird Englisch kaum. Die verwendete Katakana-Umschrift für die englischen Worte führen zu einem kaum verständlichen Englisch, da die japanische Katakana-Lautumschrift der eigentlichen englischen Aussprache nur bedingt nahekommt. Genau dies wiederum führt zu einem weiteren Phänomen: Die Japaner haben viele englische Begriffe in die japanische Sprache übernommen, nur ist es häufig sehr schwierig, die eigentliche Bedeutung herauszufinden, da die Aussprache so verschieden ist und dem japanischen weitestgehend angepasst wurde.

In der Tat sind Japaner in der Lage, sehr schwierige grammatikalische Konstruktionen korrekt zu übersetzen - nur niemand verwendet derartige Sätze. Ich habe des öfteren mit Lehrern in Japan sprachen können - sowohl „Native Speakern“ als auch mit japanischen Lehrern. Dabei stellte sich heraus, dass häufig an die Native Speaker Fragen zu speziellen Problemen der englischen Grammatik herangetragen wurden, diese aber selbst nicht in der Lage waren, diese hinreichend zu beantworten. Zwar waren die Satzkonstruktionen grammatikalisch korrekt, jedoch verwendet niemand derartige Satzkonstruktionen. Eine Sprache muss klar strukturiert sein. Je umständlicher die Sprache ist, desto unverständlicher wird sie. Deshalb gibt es ja auch in Aufsätzen meist verschiedene Noten: für Ausdruck, Grammatik usw.

Da der Japanisch-Unterricht in Japan zum Großteil aus Grammatik besteht, kann ich es den japanischen Schülern nicht einmal verdenken, dass sie eine natürliche Abneigung gegen die englische Sprache entwickeln. Ferner: Auch viele Englisch-Lehrer in Japan wagen sich selbst nicht Englisch zu sprechen, da sie befürchten, sich mit ihrer schlechten Aussprache selbst zu disqualifizieren oder gar vor Schülern oder Native Speakern zu blamieren.

Da in der Schule die richtige Praxis (Sprechen, denn Sprache kommt von sprechen) fehlt, trauen sich viele Japaner nicht, englisch zu sprechen. Hinzukommt, dass das Englisch der Japaner meist aufgrund der eingeübten japanischen Aussprache meist schlecht verständlich ist.

Falsche Übersetzungen findet man in Japan nicht selten. In einer der größten Kino-Ketten des Landes (United Cinema) gab es in nur zwei kurzen englischen Sätzen gleich zwei Fehler. So etwas darf eigentlich nicht vorkommen und schon gar nicht bei einem großem Unternehmen, das über das ganze Land verteilt Filialen betreibt ...

Wie dem auch sei: Wenn Sie nach Japan fahren, verlassen Sie sich besser nicht auf Ihr Englisch. Lernen Sie japanisch oder fahren Sie am besten mit einer Reisegruppe nach Japan, um jeglichen Verständigungschwierigkeiten von vornherein aus dem Weg zu gehen.


Japanisch aus Lehrbüchern
Sehenswertes